Obdachlos am S-Bahnhof Zoo: Niemand sollte kalt bleiben

Klar: dann ist das hier halt eine Notiz übers Betroffen sein. Nichts anderes bin ich. Betroffen, wenn ich am Bahnhof Zoo aus einer S-Bahn aussteige, die ratternde Rolltreppe in die Bahnhofshalle runter fahre und dann am Ausgang: „Hast du vielleicht etwas Kleingeld?“

Junge, fahle Gesichter

Klar. Habe ich. Ich bin froh Klein- und eigentlich auch Großgeld zu haben. Damit die Miete für diesen Blog bezahlen zu können. Freunden Bier auszugeben. Eine schöne Zeit in Berlin zu haben.

Hingegen macht er sich gerade vielleicht ganz andere Gedanken. Ich bin betroffen davon, wie jung er ist.

Zerzaustes Haar, vielleicht 25

Vielleicht ist er fünfundzwanzig. Würde ich ihn von hinten sehen, einige Meter entfernt: Ich wäre nicht auf den Gedanken gekommen, dass er mich nach Geld fragen würde. Steht er vor mir, fallen mir die Löcher seiner Jeanshose auf. Den grauen Schmutz an den Wangen. Und die zerzausten Haare, die er vielleicht keine halbe Stunde an einem Badezimmerspiegel in einer Studenten-WG in Kreuzberg zurechtgelegt hat.

Nur Fragen

Wie hat er seinen letzten Geburtstag gefeiert? Wieso sitzt er nicht neben anderen Kommilitonen in einer überfüllten Vorlesung, um das neue Wintersemester zu beginnen? Wie hat er angefangen andere Menschen nach Geld zu fragen? Schläft er unter dieser Brücke an der S-Bahnstation Zoologischer Garten? Dort wo noch zehn, vierzehn andere in Schlafsäcken eingepackt liegen? Wirklich neben den leere Flaschen?

Urin in der Nase

Der Geruch von Urin zieht durch den S-Bahn-Tunnel direkt in meine Nase. Große Rucksäcke und Einkaufswagen stehen auf dem Fußweg. Die Menschen daneben sind kaum vor dem Wind oder Regen geschützt. Ist es alles was sie besitzen? Lässt der Klimawandel den Winter abmildern? Wird jemand sterben?

Sicherlich gibt es Antworten. Google antwortet: 2.490.000 Treffer zu „Obdachlose Berlin“. Weitere 302.000 Treffer bei „Sozialwohnungen Berlin“. Und 22.600.000 zu „Studieren Berlin“. In Tempelhof-Schöneberg sind 60 Prozent der obdachlosen Menschen: Familien oder Alleinerziehende mit Kindern. 3.200 insgesamt.

Es gibt Initiativen, die sich um obdachlose Menschen in Berlin und anderswo kümmern. Viele spenden; nicht nur Weihnachten. Ich bin nicht der einzige der betroffen ist und auf seine Weise reagiert.

Mensch ist Mensch

Ich fahre mal eben in die Bibliothek, um etwas über die Welt herausfinden. Oder um mich zu verstecken? Wo sollte ich angefangen zu lernen? Was lerne ich daraus? Armut lässt sich nicht aus Google, Büchern oder Löchern an den Jeanshosen ablesen. Betroffenheit sollte motivieren zu helfen. Niemand sollte kalt bleiben. Niemand nur betroffen.

Niemand auf der Welt sollte frieren oder hungern. Kein Mensch ist piep-, ill- oder egal. Mensch ist Mensch.

Artikel über Jugendliche, die auf der Straße leben: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/jugendliche-obdachlose-ein-kampf-gegen-die-zeit-30922360

Berliner Obdachlosenhilfe: https://www.berliner-obdachlosenhilfe.de/spenden/geldspende/

Zeitung, die in Bremen von Obdachlosen verkauft und von talentierten Autoren geschrieben wird: https://zeitschrift-der-strasse.de

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